18. Juli 2016 | Rechtslage

Lieferstopp – Effektives Mittel zur Durchsetzung offener Forderungen im Lichte der Rechtsprechung des BGH vom 09.06.2016 – IX ZR 174/15 und 16.06.2016 – IX ZR 23/15

Die Marktwirtschaft lebt vom gegenseitigen Vertrauen zwischen Zulieferer, Hersteller, Lieferant und Händler. Dieses Vertrauen zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die einzelnen Lieferketten sich unterschiedliche Zahlungsziele einräumen. Können die Zahlungsziele durch die einzelnen Parteien nicht mehr eingehalten werden, stellt sich für den jeweiligen Gläubiger in nicht seltenen Fällen die Frage, ob er durch die Ankündigung oder tatsächliche Umsetzung eines Lieferstopps seine Position verbessern kann. Die in § 321 BGB verankerte „Unsicherheitseinrede“ ermöglicht zumindest zivilrechtlich bei einem gegenseitigen Vertrag dem zur Vorleistung Verpflichteten ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn nach Abschluss des Vertrages erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird. Nutzt der Gläubiger somit das Mittel des Lieferstopps um das aufgelaufene Obligo aus einem Liefervertrag zu reduzieren, kann eine (vertragliche) Regresspflicht ggf. entfallen. Im Fall der Insolvenz des Schuldners sieht sich der Gläubiger aber in nicht seltenen Fällen dem insolvenzrechtlichen Anfechtungsrückgewähranspruch des Insolvenzverwalters gegenüber.

 

Entscheidungen des BGH

Der BGH hat sich in seinen Entscheidungen vom 09.06.2016 – IX ZR 174/15 und 16.06.2016 – IX ZR 23/15 erneut mit dem Thema des Lieferstopps im Lichte der insolvenzrechtlichen Anfechtung befasst. Er ist seiner bisherigen Rechtsprechung treu geblieben. Der Lieferstopp per se ist kein unzulässiges Mittel zur Durchsetzung fälliger Forderungen. Allerdings können die Umstände die zu einem Lieferstopp führen durch den Insolvenzverwalter genutzt werden um eine Anfechtung nach § 133 InsO zu stützen.

Nach Ansicht des BGH liegen Indizien für eine Zahlungseinstellung vor, wenn der Schuldner selbst erteilte Zahlungszusagen nicht einhält oder verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre vornimmt (BGH, 09.06.2016 – IX ZR 174/15). Er bestätigt seine Entscheidung vom 08.10.2009 – IX ZR 173/07, wonach bei einer durch die Androhung einer Liefersperre erwirkten Zahlung „die eingetretene Zahlungsunfähigkeit regelmäßig unübersehbar ist“ (BGH, 09.06.2016 – IX ZR 174/15 Rz. 26). Darüber hinaus bestätigt der BGH, dass ein sprunghaftes Anwachsen der Zahlungsrückstände (hier über drei Monate) ohne nennenswerte Tilgung ein gewichtiges Indiz für eine Zahlungseinstellung des Schuldners ist (BGH, 18.07.2013 – IX ZR 143/12). Gleichzeitig kann dieses Indiz für die Kenntnis des Gläubigers bzgl. der Zahlungseinstellung angeführt werden (vgl. bereits BGH, 30.06.2011 - IX ZR 134/10).

 

Fazit

Der Lieferstopp und die damit ggf. einhergehende Ratenzahlungsvereinbarung können kurzfristig die Interessen des betroffenen Gläubigers befriedigen. Das Risiko einer späteren Insolvenz und der damit verbundenen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter sollte jedoch nicht übersehen werden. Dies durch Zahlungen auf EV-Rechte oder durch Einfordern eines schlüssigen Sanierungskonzeptes (BGH, 12.05.2016 – IX ZR 65/14) einzugrenzen kann zwar im Einzelfall möglich sein, setzt jedoch die Befassung im Vorfeld voraus.

 

Autoren: Nicole Michel, Dr. Volker von Danckelmann

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